
Das neue SIGMA 14mm F1.4 DG DN | Art im Praxistest: Der Traum aller Astro-Fotograf*innen (?)
Das neue Ultra-Weitwinkel von SIGMA ist eine absolute Weltneuheit. Noch nie hat es ein derartig lichtstarkes Weitwinkel für Vollformatkameras gegeben*. Bereits die erste Generation dieser Linse konnte sich diesen Superlativ sichern und wird nun, sieben Jahre nach ihrem Erscheinen, von der neuen 1.4er Version abgelöst.
* Ausgenommen Fisheye-Objektive, als Wechselobjektiv für spiegellose Kameras und Spiegelreflexkameras , SIGMA Recherche, Stand Juni 2023
SIGMA hat uns die Optik vorab zur Verfügung gestellt und wir können euch nun einige Testfotos präsentieren. Für den Test haben wir mit einer Sony Alpha 1 gearbeitet und als Vergleich das Sony FE 14mm f/1,8 GM herangezogen.
Astrofotografie mit dem SIGMA 14mm F1,4 DG DN | Art
Das sagt SIGMA:
„Die Sterne am Himmel sind für viele Menschen eine Quelle der Inspiration. Aus fotografischer Sicht ist der Sternenhimmel mit seinen zahlreichen winzigen, über das Bild verteilten Punktlichtquellen, ein sehr anspruchsvolles Motiv für ein Weitwinkelobjektiv. Die Milchstraße, die sich über den Nachthimmel erstreckt, funkelnde Sterne, die über Bergkämmen auftauchen – das 14mm F1,4 DG DN | Art ist in der Lage dies in einer Art und Weise im Bild festzuhalten, die über das übliche fotografische Erlebnis hinausgeht.“
Praxistest
Autor: Philipp Jakesch
Mitte Juni habe ich das SIGMA 14mm F1,4 DG DN | Art mit auf eine Fotoreise in den Nationalpark Gesäuse und ins Hochschwabgebiet genommen. Auf meiner Tour konnte ich das Objektiv sowohl bei Tag als auch bei Nacht testen und mir somit einen ersten Eindruck machen. Der Fokus auf Astrofotografie, den SIGMA im Marketing herausarbeitet, hat mich besonders neugierig gemacht. Ich bin ja auch gerne in den Bergen unterwegs und freue mich über kristallklare Aufnahmen des Nachthimmels, der Milchstraße oder nächtlicher, vom Mond angeleuchteter Landschaften. Fun Fact: Ich habe vor vielen Jahren den Vorgänger der Linse besessen, entsprechend neugierig war ich auf diese Neuheit, denn die Features lesen sich hervorragend. Viel Spaß also beim Lesen meines Testberichts – wenn du mehr zur der Linse wissen wollt, kommt gerne im Store vorbei und ich beantworte dir deine konkreten Fragen!
Licht aus!
Astrofotografie mit dem SIGMA 14mm F1,4 DG DN | Art
Wenn wir an Astrofotografie denken, dann haben wir meist umgehend Aufnahmen der Milchstraße oder sogar Deep Sky Bilder im Kopf. Dabei soll der Nachthimmel absolut dunkel sein, je weniger Licht desto besser. Hier glänzt das SIGMA und sammelt mit f/1.4 eine halbe Blendenstufe mehr Licht, es kommt also 50% mehr Licht am Sensor an, als bei f/1.8 . Aber ein gutes Astrofoto kommt nicht einfach so aus deiner Kamera: Viele der detailreichen Bilder des Sternenhimmels sind mittels diverser Aufnahmetechniken entstanden und stark nachbearbeitet.
Stacking: Das ist eine Aufnahmetechnik, bei der mehrere Bilder zu einem Bild kombiniert werden um noch mehr Lichtinformation sammeln zu können. Dafür benötigst du nichts weiter als dein Stativ und eine Möglichkeit, die Kamera ohne physische Berührung auszulösen, z.B. via App oder Fernauslöser.
Star-Tracking: Dadurch wird der Nachthimmel scheinbar ruhig gehalten und die Bewegung der Erdrotation ausgeglichen. Bei diesen Aufnahmen wird selbst bei langer Belichtung ein detailreicher Sternenhimmel festgehalten (also die kleinen Lichtquellen bleiben punktförmig anstatt zu verwischen und Startrails zu generieren). Dafür benötigt man spezielle Stativköpfe wie z.B. den Benro Polaris.
Pluspunkte für die Mechanik
Neben den offensichtlichen Vorteilen der besseren Lichtstärke adressiert SIGMA besonders die Astrofotograf:innen mit weiteren mechanischen Details. Ein praktischer Vorteil in der Nacht ist die Arca-Swiss kompatible Stativschelle, durch die sehr schnell und mühelos zwischen Hochformat und Querformat gewechselt werden kann. Außerdem gibt es nach der ersten erfolgreichen Fokussierung die Möglichkeit, den Fokus mit der MFL-Taste in Position zu halten, auch wenn der Ring weiterhin bewegt werden würde. Diese Funktion ist dann äußerst praktikabel, wenn an mehreren Standorten fotografiert werden soll und die Kamera samt Stativ transportiert wird. Vielleicht ist das bei der Aufnahme der Milchstraße weniger relevant, jedoch spielt diese Taste besonders beim Fotografieren in arktischen Gefilden seinen Trumpf aus: Besonders bei Polarlichtern kann die Richtung, in die fotografiert werden soll, nicht lange geplant werden. Eine Reaktion auf die äußeren Gegebenheiten ist nötig und teilweise ist mit raschen Veränderungen der Lichtsituation zu rechnen. Durch die MFL-Taste fällt somit ein mögliches Fehlerpotential weg und man kann sich mehr auf die anderen Herausforderungen konzentrieren.
Heizmannschetten für das Objektiv: Sinken die Temperaturen im Laufe der Aufnahmeserie ab, so ist besonders im Sommer und Herbst mit Kondensation auf der Linse zu rechnen. Durch die zusätzliche Beheizung kann die entstehende Kondensation vermieden werden. Nimmt man lediglich Einzelbilder auf, so ist das noch kein großes Thema, allerdings kommt dies besonders bei Zeitraffer-Sequenzen sehr deutlich zum Tragen. Durch jedes Hantieren mit der Kamera, auch wenn es nur das Abwischen der Frontlinse mit einem Tuch ist, wird das Setup potenziell um wenige Millimeter verschoben – In der Postproduktion ist das äußerst lästig zu beheben. Das Objektiv ist prädistiniert für die Verwendung von ebendiesen Heizmanschetten!
Im Mondlicht
Nächtliche Landschaftsaufnahmen
Ungeachtet der subjektiven Wahrnehmungen und den eigenen Eindrücken können die Bilder vom Sternenhimmel auch qualitativ verglichen werden. Die Tests fanden in einer Nacht mit Mondschein statt, was die Kombination aus Landschaftsdetails und Sternenform ermöglicht. Obwohl in den Mittenbereichen nur sehr wenig Unterschied erkennbar ist, lassen sich bei näherer Betrachtung beim Sony Objektiv mehr Details erkennen. Dieser minimale Unterschied bei 1.8 relativiert sich, je weiter abgeblendet wird, was in der Praxis zumindest bei der Astrofotografie kein sinnvoller Weg ist. Das neue SIGMA 14 f/1.4 punktet nämlich genau mit der großen Offenblende.
Im Mondlicht
Am Bildrand wird’s knifflig
Blicken wir in die Bildecken so zeigt sich ein ähnliches Bild. Das Sony bietet hier mehr Schärfe und Details in den Bereichen des Berges. Ebenso hatte ich mit dem SIGMA bei manchen Bildern einen Abbildungsfehler namens Koma (das ist ein Asymmetrie-Bildfehler, der die Sterne bzw. Lichtpunkte verzerrt). Dieser unerwünschte und störende Effekt war jedoch nicht in jeder Aufnahme sichtbar und somit konnten die Aufnahmen ohne Koma miteinander verglichen werden.
Am Tag
Landschaftsfotografie mit dem SIGMA 14mm F1,4 DG DN | Art
Mit der besonders lichtstarken Konstruktion und der geringen Verzerrung lässt das SIGMA keine Wünsche offen. Die drei Linsengruppen ermöglichen eine hervorragende Korrektur und Vermeidung von Lensflares (Diese störenden Lichtschleier und Farbverschiebungen treten besonders häufig bei Gegenlicht auf., z.B. bei nächtlichen Aufnahmen in der Stadt oder direkter Sonneneinstrahlung auf das Frontglas).
Ich habe das Objektiv bei besonders heiklen Situationen getestet und festgestellt, dass es durch die ausgefeilte Konstruktion kaum erkennbare Sonnenflecken und auch nur gering Verluste der optischen Abbildungsleistung gibt. Diese Effekte sind im bei derlei Aufnahmen wirklich kaum zu vermeiden, entsprechend gut finde ich das Ergebnis.
Im direkten Vergleich der beiden Ultraweitwinkel von Sony und SIGMA fällt auf, dass beide Objektive wunderschöne Sonnensterne ausbilden und trotz der massiven Frontlinse kaum Flares aufweisen. Das SIGMA überzeugt in dieser Kategorie besonders deutlich und weist eine hervorragende Leistung auf. Wenn wir die Aufnahme stark vergrößern und uns ausschließlich auf die störenden Lichtreflexe konzentrieren, so fällt auf, dass die Spektralzerlegung bei Sony äußerst deutlich ist und ein heller Reflex im unteren Bilddrittel entstanden ist. Ebenso weist die Region in unmittelbarer Nähe zur Lichtquelle einen deutlichen Lichtschein auf, der sich durch seine kleine Ausdehnung leicht entfernen lässt, jedoch trotzdem störend auffällt.
Kamera: Sony Alpha 1
Trotz gewölbter Frontlinste: Ein Herz für Filter
Ein weiteres praktisches Detail für Filmemacher:innen und in der Landschaftsfotografie sind die kompatiblen Filter, die an der Rückseite des Objektivs eingebaut werden können. Zusätzlich lassen sich diese Filter praktischerweise im Objektivdeckel verstauen und bequem bei Bedarf anwenden. Im Vergleich zu den großen 150×150 mm Graufiltern, die eine dementsprechend große Konstruktion benötigen, sind die kleinen Filter auf der Rückseite ein wahrer Segen. Mit diesen Filtern ist es auch mit geringem Gepäck möglich bei Landschaft, Architektur und anderen Szenarien Filter zu verwenden.
Schärfe in der Praxis
Auch wenn MTF Kurven spannend sein mögen und das faktische Verhalten eines Objektivs darstellen, ist die praxisnahe Bewertung ein wichtiger Punkt. Tagsüber gibt es bei den beiden Objektiven kaum einen Grund zur Beanstandung. Die Schärfe ist absolut vergleichbar und es kann keine große Abweichung erkannt werden. Egal ob in den Ecken oder den Mittelbereichen, das SIGMA steht dem Sony in Sachen Schärfe um kaum etwas nach. Hier beziehen wir uns auf einen Real-World Vergleich und keinen Laborvergleich mit Testcharts. Die wechselnden Lichtsituationen sowie die äußeren Bedingungen haben wir dabei so gut wie möglich in der Beurteilung berücksichtig.
Die Unterschiede
Auf dem Papier ähneln sich die zwei Objektive sehr. Der Unterschied liegt im Detail: Das Sigma hat 11 Blendenlamellen, während das Sony 9 aufweist. Außerdem ist das Linsensystem mit 19 Linsen in 15 Gruppen ausgestattet, während Sony mit 14 Linsen in 11 Gruppen aufwartet. Das Bokeh ist beim SIGMA sehr schön und ebenmäßig und lässt mit einer Naheinstellgrenze von 30 Zentimetern eine schöne Hintergrundunschärfe zu, wenn man sich entsprechende Motive aussucht. Mit dem Sony kommt man noch ein wenig näher ans Motiv, hier beträgt die Naheinstellgrenze 25 Zentimeter.
In der folgenden Tabelle kannst du die Spezifikationen vergleichen:
DIE SPEZIFIKATIONEN
|
SIGMA 14 mm F1.4 DG DN Art |
Sony FE 14 mm F1.8 GM |
Brennweite |
14mm |
14mm |
Lichtstärke |
1:1,4 |
1:1,8 |
Autofokus-Motor |
Linear Motor |
XD Linear Motor |
Bildstabilisator |
keiner |
keiner |
Bildkreis |
Vollformat |
Vollformat |
Bildwinkel |
114,2° |
114,0° |
Optischer Aufbau |
19 Elemente in 15 Gruppen |
14 Elemente in 11 Gruppen |
Blendenlamellen |
11 |
9 |
Kleinste Blende |
F16 |
F16 |
Naheinstellgrenze |
0,30 |
0,25 |
Länge x Durchmesser |
101 x 150 mm |
83 x 100 mm |
Gewicht |
1.160g |
460g |
Verwendetes Equipment bei diesem Test:
Philipp Jakesch
Landschafts- und Naturfotograf
Er habe “schon immer einen besonderen Draht zur Flora und Fauna gehabt.”, schreibt Philipp Jakesch auf seiner Website. Dass ihm das über die vielen Jahre, in denen er nun schon als Fotograf tätig ist, erhalten geblieben ist, sieht man in seinen Arbeiten immer und immer wieder. Heute gibt er sein Wissen gerne weiter und hat sich als erfolgreicher Autor und Veranstalter von Fotoreisen und -workshops etabliert. Vom rauen Norwegen bis hin zum faszinierenden Namibia: Philipp Jakesch bringt seine Workshopteilnehmer:innen immer an atemberaubende Orte und weiß zudem Erfahrungen und Know-How leicht verständlich weiterzugeben.
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